Ein Interview geführt von Jürgen Wagner, Wetterauer Zeitung, erschienen am 26.06.2017
Originalquelle: Wetterauer Zeitung
http://www.wetterauer-zeitung.de/regional/wetteraukreis/friedbergbadnauheim/art472,275161
Um die Energiewende zu schaffen, müssen Windräder gebaut werden. Nur wo? Nicht auf dem Winterstein, sagen die Friedberger. Doch, genau dort, sagen die Grünen. Und begründen das auch.
Herr Uebelacker, sind Sie überrascht von der Kehrtwende des Bürgermeisters und der SPD in Sachen Windpark Winterstein?
Florian Uebelacker: Nein. Michael Kellers Haltung war es offensichtlich, seine wahren Motive nicht offen zu legen. Lange vor 2012 behauptete er, er würde sich zusammen mit anderen Bürgermeistern für Windkraft einsetzen am Ende nur um zu kontrollieren, dass er seine taktischen Versprechungen der Öffentlichkeit und den Grünen gegenüber nicht einhalten muss. Das ist eine machtpolitisch motivierte, geplante Vorgehensweise, und die lokale SPD hat sich dem gebeugt.
In der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag werden sich die Grünen der Mehrheit beugen müssen. Die lehnt den Windpark am Wintersteinkamm ab.
Uebelacker: Die Einwendung zur zweiten Offenlage der Stadt wird so, wie sie von CDU, SPD, FDP und UWG verabschiedet werden soll, keinen Bestand haben. Der Planungsverband wird sie komplett kassieren.
Der Bürgermeister argumentiert mit dem Erholungswert des Wintersteins und der Bedrohung der Tierwelt durch den Bau der Windräder.
Uebelacker: Die vom Bürgermeister vorgetragenen Argumente sind die der hartgesottenen Windkraftgegner. Ideologisch wird fabuliert, die Wildkatze wäre betroffen, sie könne nicht temporär ausweichen, obwohl bekannt ist, dass sie ein sehr großes Jagdrevier hat. Luchs und Rotmilan werden zitiert, ohne konkrete Vorkommen zu bezeichnen. Verneint werden die planungsfachlichen Einschätzungen der übergeordneten Behörden, die für die Aufstellung des Teilplanes Erneuerbare Energien verantwortlich sind.
Aber der Eingriff in den Wald wäre enorm und würde den Erholungswert für Wanderer oder Mountainbiker deutlich mindern.
Uebelacker: Eine intensive Naherholungserschließung des Wintersteins wäre ein größerer Eingriff in die Natur als der Bau von sechs Windkraftanlagen. Weder Spazierwege zur Naherholung, noch Mountainbike-Trails sind Anlagen, die in einem solch großen Waldgebiet in »Nutzungskonkurrenz« zur Windkraft stehen würden. Hier wird seitens der Windkraftgegner eine Unverträglichkeit aus ideologisch geprägten Motiven konstruiert. Eine sachbezogene Abwägung für den Winterstein ist in den Beschlussvorlagen der Stadtverwaltung nicht zu erkennen.
Für die Baustraßen müssen große Schneisen in den Wald geschlagen werden.
Uebelacker: Großflächige Rodungen für Windkraftanlagen stehen im Märchenbuch der Windkraftgegner. Die Errichtung von Windkraftanlagen erfolgt mit temporärer Wegeverbreiterung und Rückbau nach wenigen Wochen. Es verbleibt eine kleine Lichtung, direkt am Windrad. Ist die Lebenszeit des Windrades nach gut 25 Jahren erreicht, kommt ein Ersatz des Windrades oder ein unkomplizierter Rückbau. Hessen hat überdurchschnittlich viel Wald. Die Walderhaltung ist im Hessischen Waldgesetz gut geregelt. Unser Wald wird geschützt, Ersatzaufforstungen haben bei uns Vorrang.
Die Grünen bleiben also bei ihrer Haltung?
Uebelacker: Ja, und wir sehen langfristig gute Chancen für Windräder auf dem Winterstein. Die SPD hat sich von der Umsetzung der Energiewende in Friedberg endgültig verabschiedet. Wir bleiben dabei: Windkraft auf dem Winterstein ist vertretbar, ja sogar zwingend, wollen wir künftigen Generationen nicht eine erwärmte, verdorrte Landschaft präsentieren.
Sie werfen der SPD eine Verhinderungspolitik in Sachen Windkraft vor. Gleichzeitig glauben Sie, dass die SPD und die anderen Parteien damit nicht durchkommen.
Uebelacker: Keller kann gar nicht verhindern, dass im Wintersteingebiet eines Tages Windräder aufgestellt werden. Entweder es gibt die Vorranggebiete und damit rund 97 Prozent Ausschlusswirkung im Planungsverband und in ganz Hessen oder es entsteht ein neuerliches Planungschaos, wo jeder Antragsteller einen Acker oder ein Waldstück anmietet und sein Glück versucht. Dafür müsste dann auch die aktuelle Friedberger Mehrheits-Politik die Verantwortung tragen. Wir haben das Vorranggebiet auf unseren Vorschlag hin nach Westen erweitert. Die Abstände zum Limes wurden durch Fachbehörden wie die Hessische Denkmalschutzbehörde auf ein vertretbares Maß reduziert. Damit sind genügend Flächen außerhalb des von der Deutschen Flugsicherung definierten Radius von 15 Kilometer im Vorranggebiet ausgewiesen. Das wird der Planungsverband in der zweiten Offenlage auch bestätigen. Wir Grünen sind da geduldig.
Was, wenn in späteren, konkretisierten Genehmigungsverfahren Schutzraum für die Pflanzen- und Tierwelt gefordert wird?
Uebelacker: Dann werden die Grünen jedem konkreten, begründeten Schutzbedarf zustimmen. Die Naherholungsfunktion am Winterstein wird durch den Bau von Windrädern nur unwesentlich beeinträchtigt. Das lässt sich am »Windpark Schöneck Galgenberg« sehen, wo die Bürger bei gutem Wetter zu Hunderten in räumlicher Nähe zu Windrädern spazierengehen.